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Social Entrepreneurship: Existenzgründung in der Sozialwirtschaft

Published onSep 14, 2022
Social Entrepreneurship: Existenzgründung in der Sozialwirtschaft
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1. Einleitung

Die Zahl der Existenzgründungen in Deutschland hat – gemessen an den Gewerbeanmeldungen und damit auch der Zahl der Gründer*innen – in der letzten Dekade in absoluten Zahlen stetig abgenommen. Im Jahr 2018 wurden knapp 542.500 Betriebe neu gegründet (Statistisches Bundesamt, 2019). Dieser Rückgang ist insbesondere bei Betrieben mit größerer wirtschaftlicher Bedeutung und Kleinunternehmen zu beobachten. Die Zahl der Nebenerwerbsbetriebe hat gegenüber Klein- und mittelständischen Unternehmen leicht zugenommen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (2021): Im Jahr 2018 wurden ca. 367.000 Existenzgründungen in Deutschland erfasst; 3,6 % weniger als im Vorjahr (vgl. Abbildung 1). Davon entfielen 269.950 Gründungen auf den gewerblichen Bereich (73,5 %), 90.380 (24,6 %) auf die freien Berufe und sonstige Selbständige sowie 6.720 (1,8 %) auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft. Im OECD-Vergleich lag Deutschland im Jahr 2018 mit einer Selbständigkeitsquote von nur 9,9 % der Erwerbstätigen im unteren Feld (OECD, 2019, S. 60), während im europäischen Vergleich die Selbständigkeitsquote 15,5 % beträgt.

Abbildung 1

Existenzgründungen insgesamt 2015-2019 in Deutschland (Institut für Mittelstandsforschung Bonn, 2021, https://www.ifm-bonn.org/fileadmin/data/redaktion/statistik/gruendungen-und-unternehmensschliessungen/bilder/S51-1-20.jpg)

Zwar finden die meisten Existenzgründungen nach wie vor primär im gewerblichen Sektor statt. Allerdings eröffnen sich zunehmend auch Spielräume im sozial- und gesundheitswirtschaftlichen Sektor. Dies geschieht einerseits durch Ausgliederung von Dienstleistungen verschiedener Servicebereiche öffentlicher Einrichtungen (Outsourcing). Andererseits ergeben sich aufgrund der kritisch beschworenen

„Ökonomisierung des Sozialen“ und aufgrund (quasi-)marktlicher Strukturen und Marktmechanismen, die u. a. durch das Neue Steuerungsmodell bewirkt werden, ein Spielraum für soziales Unternehmertum. Nach dem Survey der ZiviZ GmbH (2017) verstehen sich etwa 16 % aller sozialen Einrichtungen als Sozialunternehmen. In absoluten Zahlenausgedrückt handelt es sich dabei um ca. 80.000 gemeinnützige Organisationen (von insgesamt 634.000). Ein ähnliches Ergebnis erbrachte auch der Deutsche Startup Monitor 2018 des Bundesverbands Startups e. V. (2018): Ca. 42,6% der befragten Start-ups ordnen (im Vergleich zu 2019: 41,9% und 2018: 38,7%) das gesellschaftliche Engagement ihres Unternehmens dem Sozialunternehmertum zu. Im Rahmen einer aktuellen Untersuchung des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e. V. (SEND, 2018, S. 9-10) lassen sich eine Reihe interessanter weiterer Erkenntnisse ableiten, die ein spezifisches Bild von der aktuellen Situation für Sozialunternehmer zeichnen:

  • 9 von 10 Sozialunternehmen lösen gesellschaftliche Probleme in Deutschland; 3 von 4 sind dabei höchstinnovativ;

  • 50 % der Sozialunternehmen wurden von Frauen gegründet;

  • in 56 % der Sozialunternehmen nehmen Mitarbeitende direkten Einfluss auf Entscheidungen bzw. haben ein Mitspracherecht;

  • 33 % der Sozialunternehmen bewerten die festgestellten Wirkungen und Effekte sowie angebotene Produkte und Dienstleistungen als weltweite oder EU-weite Marktneuheit;

  • 62 % der Befragten sehen in der Startfinanzierung und 65 % in der Anschlussfinanzierung eine wesentlicheBarriere;

  • 55 % empfinden den Zugang zu Unterstützungsangeboten als wesentliche Hürde;

  • die Politik erhält lediglich die Note 4,6 auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 5 (schlecht) für die Unterstützung von Social Entrepreneurship in Deutschland;

  • 73 % der Sozialunternehmen wünschen sich eine stärkere Repräsentation und Anerkennung;

  • Sozialunternehmen sind nicht nur sehr heterogen, sondern sind auch in ihren Geschäfts- und Wirkungsmodellen, den gewählten Rechtsformen und der Finanzierung sehr vielseitig;

  • 87 % der Sozialunternehmen streben eine Skalierung ihres Geschäftsmodell an.

Die Ergebnisse der einführend genannten Studien zeigen, dass der Neugründung von Einrichtungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft innerhalb einer Volkswirtschaft eine große Bedeutung zukommt. Umso wichtiger ist es, dieVoraussetzungen, Grundlagen und Rahmenbedingungen zu kennen, die Gründer*innen einen Weg in dieSelbständigkeit im Sozialsektor ermöglichen, um erfolgreich und nachhaltig innovative Geschäftsideen umzusetzen.

2. Existenzgründung in der Sozialwirtschaft

2.1 Unternehmerische Rahmenbedingungen in der Sozialwirtschaft

Aufgrund seiner historischen Wurzeln in den Bismarck’schen Sozialgesetzen kommt dem deutschen Sozialstaatsmodell eine besondere Bedeutung zu. Zu den Prinzipien der sozialen Sicherung und rechtlichen Rahmenbedingungen zählen u. a. das Äquivalenzprinzip (nur diejenigen erhalten Leistungen, die auch inVersicherungen eingezahlt haben, z. B. gesetzliche Sozialversicherungen), Solidarprinzip (steuerfinanzierte Entschädigungen, Förderungen und soziale Hilfen, z. B. Kriegsversehrte, Kindergeld, Sozialhilfe) und Subsidiaritätsprinzip (vorrangige Berücksichtigung von sozialen Wohlfahrtsträgern gegenüber öffentlichen Leistungsträgern), um nur einige wenige zu nennen.

Vor diesem Hintergrund haben Sozialunternehmen im Wirtschaftskreislauf eine besondere Stellung. Ihre indirekte Finanzierung erfolgt grundsätzlich im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses zwischenSozialleistungsträger, Leistungsempfänger und Leistungserbringer. Die Leistungsempfänger (die Hilfesuchenden)haben Anspruch auf eine Leistung (z. B. Bildung und Betreuung von Kindern), der Kostenträger (z. B. Jugendamt)gewährt diese und der Leistungserbringer bzw. soziale Dienstleister (z. B. Kindertagesstätte) erbringt bzw. organisiertdiese unmittelbar (Kolhoff, 2017, S. 5). Der Leistungsträger erhält für die in den Sozialgesetzen definierten Aufträge aus den vom Staat bereitgestellten Haushaltsmitteln (z. B. Steuern und Sozialabgaben) eine Aufwands- bzw. Kostenentschädigung. Die Finanzierung der Leistungserbringung erfolgt über Sach- oder Geldleistungen indirekt an die die Leistungen erbringenden Sozialunternehmen oder ggf. direkt an die Leistungsempfänger selbst (z. B. persönliches Budget, Gutscheine, Selbstzahler). Um handlungsfähig zu sein, müssen Sozialunternehmen bestimmte Produkte und Dienstleistungen von anderen Unternehmen einkaufen (z. B. Büro- und Geschäftsausstattung, Spielgeräte etc.) und rekrutieren Fachkräfte vom Arbeitsmarkt.

Die Finanzierung von sozialen Einrichtungen in freier Trägerschaft ist letztlich durch einen Finanzierungsmix (auch Welfare-Mix; vgl. dazu ausführlicher Abschnitt Finanzierungsmix für freie Träger der Wohlfahrtspflege) geprägt: Neben den Leistungsentgelten vom Kostenträger (indirekte Subjektfinanzierung) oder öffentlichen Zuwendungen bzw. Zuschüssen(Objektfinanzierung; z. B. über Projekt- oder institutionelle Förderung) müssen diese ihren Finanzierungsbedarf immer öfter auch aus nicht öffentlichen Mitteln bestreiten wie z. B. Stiftungsgelder, Spenden, Elternbeiträge, Vereinsbeiträge und ggf. auch kirchlichen Zuwendungen. Weiterhin spielen das Sponsoring oder andere Fundraising-Aktivitäten eine wichtige Rolle. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind schließlich die Selbstfinanzierung durch Überschüsse aus erwirtschafteten Gewinnen, Vermögensumschichtungen etc. mit zu bedenken. In den letzten Jahren hat insbesondere die Finanzierung von Initiativen, Projekten und Ideen mithilfe desCrowdfundings an Bedeutung zugenommen (vgl. ausführlicher in Abschnitt Finanzierung in der Sozialwirtschaft). Sozialunternehmen sind bei ihrer Finanzierung auf einen Mix an verschiedenen Finanzierungsquellen angewiesen, was als Welfare-Mix bezeichnet wird.

Aufgrund dieser Rahmenbedingungen ist es für gewerbliche Einrichtungen schwieriger, in der Sozialwirtschaft tätig zu werden. Dies ist nur begrenzt und in einzelnen Nischen möglich, wie z. B. in der Raumvermietung fürstationäre Einrichtungen. Existenzgründungen werden in der Sozialwirtschaft insbesondere durch freiberuflich Tätige initiiert, z. B. soziale, therapeutische Beratungen oder pädagogische Tätigkeiten, die auf Honorarbasis fürgemeinnützige freie Träger tätig werden. Ein Grund dafür ist, dass es aufgrund des deutschen Sozialstaatsmodells imZusammenspiel zwischen sozialem und erwerbswirtschaftlichem Sektor zur Herausbildung sog. „kollusiver Strukturen“ (Kohlhoff, 2002, S. 22-24) gekommen ist. Unter  Kollusion (lat.  colludere,  zusammenspielen) des  sozialen  Sektors versteht man den Umstand, dass der Staat eine progressive und die Soziale Arbeit eine regressive Funktion übernimmt.

Im einfachsten Fall entsteht eine Kollusion dann, wenn von der Erwerbswirtschaft Gelder zur Finanzierung des Sozialsystems zur Verfügung gestellt werden (z. B. Steuern, Versicherungsabgaben) und daraus soziale Hilfen gewährt werden, um Menschen in bestimmten Lebenslagen wie z. B. bei Arbeitslosigkeit, Krankheit, Behinderung oder im Rentenalter zu unterstützen. Die unmittelbare Umsetzung des Solidar- und Subsidiaritätsprinzips besteht darin, dass freie Träger der Wohlfahrtspflege in besonderer Weise gegenüber öffentlichen Trägern an der Umsetzung der „sozialen personenbezogenen Dienstleistungen“ (Klatetzki, 2010) beteiligt sind: Öffentliche Träger stellen die finanziellen Ressourcen zur Verfügung, und die freien Träger übernehmen die Versorgung der bedürftigen Menschen. Die Koordinationsfunktion für das soziale Sicherungssystem bleibt beim Staat, und dieSozialgesetzgebung regelt die jeweils zu vergebenden öffentlichen Aufträge.

Aufgrund von verschiedenen systemimmanenten und -exmanenten Entwicklungen und Ereignissen kann es häufiger aber zu Störungen dieser kollusiven Strukturen in der Gesellschaft kommen, wie z. B. durch den demographischenWandel, Arbeitslosigkeit, Migrationsbewegungen, Globalisierung, Steuermindereinnahmen etc. Infolgedessen werden die sozialen Sicherungssysteme herausgefordert und es kann zu einer Instabilität des Sozialstaats kommen,wenn dessen Aufgaben bzw. Maßnahmen nicht mehr ausreichend aus den Einnahmen durch z. B. Steuern und Sozialabgaben oder einer geringen Zahl an Beitragszahlern refinanziert werden können. Vor diesem Hintergrund wurde in den 1990er Jahren das nicht nur input-, sondern auch outputorientierte Neue Steuerungsmodell (NSM) für öffentliche Verwaltungen und Träger eingeführt, das mittlerweile in verschiedenen Landes- und Kommunalgesetzen und -verordnungen verbindlich gesetzlich geregelt ist. Das Neue Steuerungsmodell (NSM) stellt ein Modell der öffentlichen Betriebswirtschaftslehre und dient der strategischen Steuerung von Kommunen, Landes- und Bundesverwaltungen sowie Behörden.

Nach diesem Modell gibt die öffentliche Hand bestimmte Ziele für die Leistungserstellung vor, wobei stets auf die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Aufgabenerledigung geschaut und rechtliche Rahmenbedingungen (z. B.Tarifrecht, Vergaberecht, etc.) mitbeachtet werden müssen. Seit den 1990er Jah- ren wird in der öffentlichen Verwaltung das NSM umgesetzt. Dabei stehen die Aspekte wie outputorientierte Steuerung, Förderung von wirtschaftlichem Wettbewerb und Effizienz, dezentrale Führung und Organisation, Controlling anhand öffentlicher Leistungsbeschreibungen, Budgetierung und Kontraktmanagement im Vordergrund, was nicht zuletzt zu einer viel diskutierten „Ökonomisierung des Sozialen“ mit allen Vor- und Nachteilen beigetragen hat.

Zu Recht betont Kolhoff (Kolhoff, 2002, S. 26) in diesem Zusammenhang, dass durch die leistungsorientierte Sichtweise in der Sozialen Arbeit das Steuerungsmedium „Recht“ durch das Medium „Geld“ ergänzt wird: Einerseits wird beabsichtigt, eine höhere Effizienz in der Mittelvergabe durch Einführung von (quasi-)marktwirtschaftlichen Mechanismen zu erreichen. Andererseits eröffnet sich plötzlich ein „Spielraum für Existenzgründer“ (Kolhoff, 2002, S. 26). Beispielsweise konnte man dies mit der Einführung des SGB XI beobachten, wo gewerbliche den gemeinnützigen Trägern gleichgestellt wurden. Es entstand ein Quasimarkt, in dem auch Existenzgründungen sich in die Abhängigkeit der Grundstruktur des sozialen Sicherungssystems begeben: „Gewerbliche Träger müssen folglich ebenso wie freie gemeinnützige An- bieter durch öffentliche Mittel alimentiertwerden“ (Kolhoff, 2002, S. 27). Nicht nur auf die besondere Bedeutung von gewerblichen Unternehmen in der Sozialwirtschaft, sondern insbesondere auch auf die verschiede- nen Existenzgründungsfelder ist im nächsten Abschnitt noch einmal ausführlicher einzugehen.

2.2 Existenzgründungsfelder 

Im Bereich sozialer und öffentlicher Dienstleistungen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten und Formen der Existenzgründung. Einige der wichtigsten Gründungsfelder stellen z. B. das Outsourcing, gewinnorientierte gewerbliche und freiberufliche Tätigkeiten und das Social Entrepreneurship dar.

1. Outsourcing

Unter Outsourcing im öffentlichen und sozialen Sektor versteht man die Ausgliederung, Übergabe und Beleihung von Aufgaben, die eigentlich von der jeweiligen öffentlichen Körperschaft oder sozialen Einrichtung erbracht werden müssten, an externe Dienstleistungsunternehmen. Zwar können die hoheitlichen Kernaufgaben von Kommunen, Bundesländern oder Bund an sich nicht ausgelagert werden, dennoch verspricht man sich durch das Outsourcing von unterstützenden Service-Bereichen (z. B. Reinigungs-, Sicherheits-, Wartungs-, IT- und Catering-Aufgaben) eine kostengünstigere Aufgabenerbringung und die Ausnutzung von Möglichkeiten zur fiskalischen Sanierung. Eine Beteiligung an einer rechtlich selbständigen (und ggf. gewerblich tätigen) Servicegesellschaft oder Objektgesellschaft (im Falle von Immobilienleasing) ermöglicht darüber hinaus stetige Einnahmen für zukünftigeWirtschaftsjahre. Beispielhaft sei hier die von der Stadt Leipzig geschaffene Beratungsgesellschaft für Beteiligungsverwaltung Leipzig mbH (bbvl), die 1993 als 100-prozentige Tochtergesellschaft der Stadt Leipzig ausgegründetwurde, um für die Stadt ein effektiveres Beteiligungsmanagement der ca. 100 angegliederten Unternehmen wie z. B. Eigenbetriebe, Regiebetriebe, Kapitalgesellschaften oder Zweckverbände in allen Branchen von der Versorgungswirtschaft über die Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung bis hin zur Kultur, Gesundheit und Bildung zu organisieren (vgl. z. B. Kolhoff, 2002, S. 32). Dabei bleiben die Verwaltungs-, Steuerungs- und Kontrollaufgaben für alle outgesourcten Bereiche zwar bei den städtischen Dezernaten, jedoch geht mit der Schaffung von wirtschaftlich und rechtlich selbständigen Betrieben eine „Verschlankung“ der öffentlichen Verwaltung einher. Kaufmännische, personelle, rechtliche und organisatorische Angelegenheiten der Verwaltung und die städtische Vermögensverwaltung werden entsprechend der Satzung auf die bbvl mbH ausgelagert.

Unter Outsourcing versteht man außerdem eine Geschäftsstrategie mit dem Ziel, einen Teilbereich oder umfangreiche Geschäftsprozesse in ein rechtlich und wirtschaftlich selbständiges Unternehmen auszugliedern. Otte und Wenzler (2001, S. 7-8) unterscheiden beim Outsourcing zwei Formen: Organisations- und Aufgabenprivatisierung. Unter Organisationsprivatisierung versteht man die Gründung von sogenannten Eigengesellschaften in privatrechtlicher Trägerschaft (z. B. GmbH oder AG) oder die Etablierung von Public-Private-Partnerships. Eine Aufgabenprivatisierung kann in Form einer funktionalen Auftragsübertragung (der öffentliche Träger behält sich ein Mitbestimmungsrecht vor, gründet aber eine private Einrichtung z. B. durch Betriebsüberlassung (Rechnungslegung gegen öffentlichen Träger), in Form von Betreibermodellen (privates Unternehmen betreibt und finanziert ein Vorhaben) oder durch materielle Auftragsübertragung (derjenige, der dieAufgabe übernimmt, entscheidet selbständig über die Art und Weise ihrer Ausführung, z. B. bei Verkauf einerTeileinrichtung oder Funktionsüberlassung an private Unternehmen) umgesetzt werden.

Privatisierungen werden im Allgemeinen stets kritisch bewertet: Vorteilhaft wird zwar die kostengünstigere Bewirtschaftung angesehen und auch die Förderung von Konkurrenz mit anderen Wettbewerbern. Nachteilhaft wird allerdings angesehen, dass damit eine Ökonomisierung von genuin öffentlichen Aufgaben stattfindet, wobeiGewinne privatisiert, mögliche Verluste aber der Gemeinschaft angelastet werden können (Kolhoff, 2002, S. 35-36).

2. Gewinnorientierte gewerbliche und freiberufliche Tätigkeiten in der Sozialwirtschaft 

Grundsätzlich sind Existenzgründungen im sozialen Bereich damit konfrontiert, dass die Finanzierung der verschiedenen sozialen personenbezogenen Dienstleistungen durch (sozial-)rechtliche Rahmenbedingungen determiniert sind, Leistungen zwar über öffentliche Mittel finanziert werden können, allerdings häufig nur beschränkt auf das sozialrechtliche Dreieck (Kolhoff & Bettig, 2013, S. 42). In der Regel werden Leistungen daher von sozialen Trägern angeboten, die als gemeinnützige Vereine, GmbHs, Stiftungen etc. firmiert sind. Infolgedessen sind der Selbständigkeit und (gewinnorientierten) Unternehmensgründungen gewisse Grenzen gesetzt. Eine Ausnahme stellt beispielsweise die häusliche Pflegehilfe (§ 36 SGB XI; z. B. haushaltsnahe Dienstleistungen) dar, welche als gewerbliche Tätigkeit gewertet wird, da sie – im Gegensatz zur häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB XI) – keine genuine pflegerische Maßnahme bzw. Grundversorgung darstellt und nicht vorrangig im Zusammenhang mit einer Krankheit steht (Kolhoff, 2002, S. 37). Mithin werden hier gewerbliche und gemeinnützige Träger bzw. Selbständige auf eine Stufe gestellt. Darüber hinaus können gewinnorientierte gewerbliche Unternehmen im Rahmen des oben beschriebenen Outsourcings gegründet werden.

Darüber hinaus werden bei öffentlichen als auch gemeinnützigen Trägern Honorarkräfte (z. B. nach Umgangsrecht,in der Erziehungsberatung, bei sozialpädagogischen Einzelbetreuungen, bei Supervision oder Coaching) angestellt oder es werden Personaldienstleister für die Überbrückung von kurz- und mittelfristigen Personalengpässen eingeschaltet (Personalüberlassung). In aller Regel handelt es sich bei den vorgenannten Beispielen um freiberuflich Selbständige. Die Berufsgruppe der Freiberufler wird konkret in § 18 EStG geregelt, wobei zwischen sogenannten Tätigkeitsberufen (z. B. Sozialpädagogen*innen, Lehrer*innen, Trainer*innen, Logopäden*innen), Katalogberufen (z. B. Heilberufe) und Analogberufen (z. B. Beschäftigungs- und Ausdrucktherapeuten*innen) unterschieden werden kann.

Unter Freien Berufen versteht man nach § 18 EStG und § 1 PartGG wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätig-keiten, die nicht der Gewerbeordnung unterliegen. Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass die selbständige Tätigkeit nicht dem Verdacht einer Scheinselbständigkeit ausgeliefert ist. In diesem Fall wird die jeweilige Tätigkeit nicht als Selbständigkeit, sondern als sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung aufgefasst (vgl. § 7 Abs. 4 SGB IV). Dies liegt in der Regelvor, wenn die unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse des Auftragsnehmers stark eingeschränkt werden, was dann der Fall ist, wenn z. B. eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers vorliegt (§ 7 Abs. 4 S. 2 SGB IV). Infolgedessen kann eine vormals als selbständig deklarierte Tätigkeit im Rahmen einer Betriebsprüfung als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit eingeordnet werden, was dazu führt, dass sowohl Arbeitnehmer*in als auch Arbeitgeber*in nachträglich zur Abführung von Beiträgen zur gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung verpflichtet werden können. Eine Abgrenzung von Selbständigkeit und nichtselbständiger Tätigkeit ist in der allgemeinen Rechtspraxis von den Bundesgerichten fortentwickelt worden und muss von den Beteiligten sorgfältig geprüft werden.

Liegt eine freiberufliche Tätigkeit vor, ergeben sich daraus verschiedene Rechtsfolgen, zu denen u. a. eine Befreiungvon der Gewerbesteuer, das Wahlrecht bei der Gewinnermittlung, der Bestandsvergleich und die Einnahmenüberschussrechnung sowie (für ausgewählte Berufe) eine Befreiung von der Umsatzsteuer gehören (vgl. dazu z. B. § 4 Nr. 14, 22a, 23, 25, 26 UStG). Im Bereich der sozialen Berufe findet eine Existenzgründung regelmäßig bei Aufnahme folgender freiberuflicher Tätigkeiten statt:

  • Berufsbetreuer/-vormünder: Obschon es sich dabei um kein gesetzlich normiertes Berufsbild handelt, werden Betreuungsleistungen von Angehörigen dieses Berufs nach § 1896 BGB nur unter Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anerkannt. In den letzten Jahren haben neben Rechtsanwälten*innen auch viele Sozialarbeitende die Betreuung von psychisch kranken, suchtkranken und geistig behinderten Menschen übernommen. Die Vergütung der Leistungen von Berufsbetreuern/-vormündern regelt schließlich das Gesetz über die Vergütung von Berufsvormündern (BvermVG), wie z. B. rechtliche Vertretungsbefugnisse für Finanz- und Vermögensverwaltung, Erledigung von Schriftverkehr und Mahnungen, Sozialversicherungsangelegenheiten, Heimplatzsuche und Überwachung vonPflegediensten.

  • Verfahrens- und Umgangspflegschaft und Mediation: Im Falle von Interessensgegensätzen, Kindeswohlgefährdung, Wegnahme des Kindes von Pflegepersonen bzw. Rückgabegesuch an die Herkunftsfamilie (§ 50 Abs. 1 FGG, z. B. Abs. 2) kann das Familiengericht nach § 1684 Abs. 4 BGB Umgangspfleger*innen für konfliktbelastete Umgangssituationen bestellen. Eine Kostenübernahme der dabei ausgeführten Leistungen ist entsprechend nach § 18 Abs. 4 SGB VIII geregelt. Verfahrenspfleger*innen können bestellt werden z. B. im Rahmen von Mediationen bei außergerichtlichen Streitigkeiten im Sinne des § 52 FGG. Sie haben letztlich die Aufgabe, auf Beratungsmöglichkeiten im Rahmen der Jugendhilfe hinzuweisen und Anwaltschaft für das Kind zu übernehmen. Eine Finanzierung erfolgt in Form pauschalierter Entgeltsätze im Rahmen von Leistungsvereinbarungen nach § 77 SGB VIII.

Neben den gewinnorientierten gewerblich orientierten und freiberuflichen Tätigkeiten hat sich ein weiterer Bereich von sozialen personenbezogenen Dienstleistern etabliert, die als Non-Profit-Organisationen gemeinnützige Unternehmenszwecke verfolgen.

3. Social Entrepreneurship

Social Entrepreneurs initiieren ein neues gemeinwohlorientiertes Geschäfts- und Handlungsfeld, welches Lösungen für gesellschaftlich bzw. sozial herausfordernde Aufgaben bietet, die bisher weder vom Wohlfahrtsstaat noch von anderen sozialen Organisationen bedient werden und eine persönliche Risikobereitschaft und philanthropische Haltung erfordert. Kurz gesagt geht es dabei darum, unternehmerisches Handeln und soziales und gesellschaftlichesEngagement miteinander zu verbinden. Zu den wichtigsten Kennzeichen für Einrichtungen in der Sozialwirtschaft im Sinne von Social Entrepreneurship zählen insbesondere:

  • Es werden soziale Probleme und Herausforderungen, die nur unzureichend von öffentlichen Einrichtungen adressiert werden, angegangen.

  • Die gegründeten Einrichtungen haben einen Bedarf an Spenden für gemeinnützige Aktivitäten.

  • Sie reagieren innovativ auf Veränderungen im öffentlichen Sektor, z. B. Haushaltskürzungen.

  • Es werden Angebote geschaffen, die soziale Verantwortung und ethisches Unternehmertum miteinander verbinden.

Social-Entrepreneurship-Unternehmen tragen maßgeblich zur Erreichung der acht „Millenniums-Entwicklungsziele“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2000 bei (Vereinte Nationen, 2012, S. 4ff.):

  • Bekämpfung von extremer Armut und Hunger,

  • Primärschulbildung für alle,

  • Gleichstellung der Geschlechter / Stärkung der Rolle der Frauen,

  • Senkung der Kindersterblichkeit,

  • Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Mütter,

  • Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten,

  • ökologische Nachhaltigkeit und

  • Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung.

Diese Ziele wurden im Jahr 2016 mit Laufzeit bis 2030 auf 17 Ziele für die „nachhaltige Entwicklung“ erweitert, wobei es sich um politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen (2012) handelt, die auf die Sicherung der nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene ausgerichtet sind (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2

The Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (Lizenz: UNDP, Public domain, via Wikimedia Commons, Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/46/Sustainable_Development_Goals.jpg

Social Enterprises sind weniger als neue Formen der Leistungserstellung, sondern vielmehr als organisationstheoretisch interessante Gebilde zu verstehen. Sie oszillieren „zwischen den Polen einer marktgetriebenen – auch gewinnorientierten – Orientierung, einer an gemeinschaftlichen Werten orientierten Perspektive und einer auf das ‚große Ganze‘ gerichteten ‚staatsorientierten‘ bürokratischen Rationalität“ (Heinze et al., 2011, S. 91; vgl. Abschnitt Hybridittät). Die Rechtsform solcher gemeinnützigen Unternehmen können sowohl Vereine nach Bürgerlichem Recht als auch gGmbHs oder gAGs sein. Deren Finanzierung von sozialen Dienstleistungen wird über Leistungsvereinbarungen nach §§ 77ff. SGB VIII, privatrechtlichen Leistungsverträgen, in Form von öffentlichen Ausschreibungen nach SGB III sowie durch Einführung des Neuen Steuerungsmodells ermöglicht. Nach Kolhoff (Kolhoff, 2002, S. 50) zählen dazu beispielsweise die Arbeitsfelder:

  • „der Kranken- und Altenhilfe (betreutes alten- und behindertengerechtes Wohnen);

  • Begegnungsstätten, ambulante und stationäre Kranken- und Altenpflege (Sozialstationen, Tages- und Kurzzeitpflege, Mobilitätshilfen, Prophylaxen, Behandlungspflege, Soziale Betreuung, Nachtpflegestationen und Vollzeitpflege);

  • der Behindertenhilfe (Wohnheime und Wohnstätten, Werkstätten, Therapie und Beratungszentren, behindertengerechte Gestaltung von Wohnraum in Privathaushalten);

  • oder beim Aufbau von Kindergärten/-tagesstätten;

  • bei Rettungsdiensten, Arbeitslosenzentren, Heimen für Obdachlose, selbstverwaltete Wohnprojekten, Werk- und Ausbildungsstätten für Arbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen;

  • oder bei der Einrichtung von Gebrauchtkaufhäusern (z. B. Bring’s und GebrauchtKaufhaus AG Bielefeld.“

Die Unternehmer*innen bzw. Gründer*innen sind in den Social Enterprises in der Regel als Mitarbeitende oder in der Geschäftsführung bei der ins Leben gerufenen Einrichtung angestellt. Es kann aber auch andere arbeits- bzw. gesellschaftsrechtliche Beteiligungsmöglichkeiten geben wie z. B. die besondere Form des Geschäftsführenden Gesellschafters. Beispielhaft seien folgende Social Enterprises genannt:

  • mehr als lernen e. V.: Unterstützung von (jungen) Menschen durch kompetenzorientiertes Lehren undLernen, damit diese ihr eigenes Leben eigenverantwortlich und selbstbewusst gestalten und Verantwortung für eine demokratische und friedliche Gesellschaft übernehmen können;

  • sira Kinderbetreuung: Betrieb und Bau von betrieblichen Mini-Kitas (Ganztagespflegen) in Zusammenarbeit mit Arbeitgebern zur Verwirklichung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf;

  • Ethical Branding Marketing: ethische Marketingstrategien für tier- und umweltschonende Visionäre;

  • German Angel Initiative gUG: individuelle und intensive Förderung von leistungsschwachen Kindern aussozial- und bildungsfernen Familien gemeinsam mit hoch motivierten Studierenden zur Steigerung desSchulerfolgs;

  • Sustify GmbH: Online-Plattform für nachhaltige Bildung in Fabriken in Asien;

  • EducationINnovationARTelier – Institut für Bildungsinnovation: Angebot von Workshops, Seminaren, Weiterbildungen, Events und Projekten zum Thema Bildungsinnovation;

  • Quartiermeister: Seit 2012 fördert das Sozialunternehmen aus GmbH und Verein mit Erlösen aus Bierverkauf soziale Projekte in unmittelbarer Nachbarschaft – dort, wo das Bier getrunken wird.

Social-Entrepreneurship-Organisationen sind u. a. bei dem gemeinnützigen Netzwerk Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e. V. organisiert, welches regelmäßig Branchenumfragen durchführt, um die Lage von Sozialunternehmern*innen zu erforschen und soziale Innovationen zu unterstützen (vgl. SEND e.V.; eine hilfreiche Datenbank findet sich ebenso unter Ashoka).

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, dass Social Enterprises nicht lediglich als Non-Profit-Unternehmen der Sozialwirtschaft bewertet werden können, da sie teilweise auch keine formale Struktur aufweisen und neben einer Gemeinwohlorientierung auch eine Profitorientierung verfolgen können. Ihnen kann aufgrund unterschiedlicher verfolgter Zwecke und Budgets nicht zwingend eine direkte Rechtsform zugeordnet werden. Sie können u. a. entweder als Einzelunternehmen, Stiftungen, gemeinnützige Vereine und Verbände oder aber auch in Form von Public Private Partnership (PPP) firmiert sein (Heinze et al., 2011, S. 92). Auf diese Vielfalt, Variabilität und Hybridität ist im folgenden Abschnitt ausführlicher einzugehen.

2.3 Hybride Sozialunternehmen als Kennzeichen der Sozialwirtschaft

Organisationen des Non-Profit- bzw. der Sozialwirtschaft zeichnen sich durch eine zunehmende organisationale Hybridität aus. „Hybriden Organisationen“ (z. B. Eurich, 2013; Evers & Ewert, 2010) stellen Kooperationsformen über Sektorengrenzen hinweg dar, bei denen unterschiedliche, wechselseitig abhängige Werte, Logiken und Handlungsorientierungen der jeweiligen Stakeholder und Sektoren einen Einfluss auf die Organisationssteuerung und -lenkung haben. Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbetriebe stellen in besonderer Weise hybride Organisationen dar, da sie einerseits als soziale Dienstleister mit verschiedenen anderen Wettbewerbern in einem in der Regel räumlich begrenzten sozialen Markt („dritter Sektor“, d. h. ein eigenes Handlungsfeld jenseits von Staat bzw. Gemeinschaft und Markt) konkurrieren, andererseits aber den Großteil der Finanzierung meist über einen Monopolanbieter (z. B. staatliche Leistungsträger) bestreiten und dabei wie andere soziale Organisationen an der Verwirklichung des sozialstaatlichen Subsidiaritätsprinzips und an der Erfüllung gesetzlich legitimierter Aufgaben (z. B. Sozialgesetzbuch) beteiligt sind (Arnold, 2017, S. 46).

Hybridity is not therefore any mixture of features from different sectors, but according to this view, is about fundamental and distinctly different governance and operational principles in each sector“ (Billis, 2010, S. 3).

Die Entwicklung einer Hybridität sozialer Organisationen ist nach Heinze, Schneiders und Grohs (2011) insbesondere auf folgende Veränderungen in den 1990er Jahre zurückzuführen: Traditionell gründet sich der deutsche Wohlfahrtsstaat auf den dominierenden Prinzipien der sozialen Sicherung, einer dezentralen Leistungsgewährung und den korporatistischen Beteiligungsstrukturen in Entscheidungsprozessen (befördert z. B. durch die Wohlfahrtsverbände). Insbesondere vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Einführung neuer Steuerungsformen und Managementinstrumente (z. B. der Doppik, operatives/strategisches Controlling) in den 1990er Jahren kam es zu einem grundlegenden Wandel im Management sozialer Einrichtungen.

Für die Steuerung sozialer, gemeinnütziger Organisationen wurde die Wahrnehmung, Anerkennung und Umsetzungunterschiedlicher (Sektor-)Logiken entscheidend. Die Steuerung hybrider Organisationen „besteht somit in der Vermittlung unterschiedlicher Orientierungen (z. B. staats- und assoziationsbezogener Orientierungen), der Herstellung von Einheit unter Wahrung der Vielfalt (z. B. organisationale Einheit und Vielfalt an Stakeholdern), der Balancierung unterschiedlicher Steuerungslogiken (…) und der Herstellung und Erhaltung vonGemeinschaft bzw. der Emanzipation aus deren Bindungen“ (Eurich, 2013, S. 242). Nach Adalbert Evers und Benjamin Ewert (Evers & Ewert, 2010, S. 112ff.) haben insbesondere die folgenden vier Dimensionen Bedeutung für die Steuerunghybrider Organisationen: (1) Die zur Verfügung stehenden Ressourcen, hier Finanzen, stammen aus unterschiedlichenQuellen (z. B. Entgelte, staatliche Zuwendungen, Spenden, Fundraising usw.). (2) Es kommen organisationale Steuerungsformen zum Einsatz, die Partizipation im Sinne von Selbstvertretung von Anspruchsgruppen und Interessensvertretungen auf Länder- und Bundesebene (z. B. Wohlfahrtsverbände) erfordern. (3) Formalziele (z. B. Gewinnermittlung) werden dem ideellen Ziel (Sozialbetrieb) untergeordnet. (4) Die Corporate Identity hebt Aspekte der Veränderung des Organisationsumfelds neben der Dienstleistung an den Kunden*innen hervor. Ergänzend fügt Eurich (Eurich, 2013, S. 251ff.) hinzu, dass im Zentrum der Steuerung hybrider Organisationen das Management multipler Identitäten – also die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Selbst- und Fremdzuschreibungen – steht: Im Falle sozialer Einrichtungen ergibt sich dies bereits durch die interprofessionelle Zusammenarbeit, die Anbindung an die lokale Gemeinwesenarbeit, die Einbeziehung unterschiedlicher Anspruchs- und Interessensgruppen sowie Ehrenamtlichen und durch die Auswahl von Leitungskräften, die neben betriebswirtschaftlichem Know-how auch eine Sensibilität für nicht sofort verwertbare, aber gesellschaftlich relevante Themen mitbringen.

Darüber hinaus kann eine Hybridität von Unternehmen der Sozialwirtschaft noch an anderer Stelle – der Asymmetriezwischen Anbietern und Nachfragern – beobachtet werden. Während Anbieter über ein Mehrwissen um die qualitative Gestaltung des Dienstleistungsprozesses verfügen, sind (insbesondere) junge Klienten*innen häufig verschiedenen Zugangsbarrieren ausgeliefert oder können größtenteils nicht die in Anspruch genommenen Dienstleistungen auswählen (z. B. Jugendhilfe). Eine hohe Regulierungsdichte existiert auch in der Altenpflege, wo zwar eine Transparenz durch Qualitätsberichte und Pflegenoten erreicht werden soll, aber ein Großteil der Finanzierung von Pflegedienstleistungen nur anhand von Leistungsentgelten organisiert ist. Gründer*innen sindebenso nicht selten mit institutionellen Hürden und häufig geschlossenen Märkten konfrontiert (vgl. z. B. SGB VIII, wo der Marktzutritt und auch die Beteiligung an Entscheidungsgremien wie dem Jugendhilfeausschuss reglementiert wird; Heinze et al., 2011, S. 95).

2.4 Digitale Transformation sozialer Organisationen und Dienstleistungen

Einrichtungen der Sozialwirtschaft sind zunehmend auch durch die Digitalisierung herausgefordert. Der digitale Wandel betrifft nicht mehr nur gewerbliche Unternehmen, sondern alle Einrichtungen und Organisationen quer durch sämtliche Branchen, Sektoren und Gesellschaftsbereiche. Vor diesem Hintergrund entsteht letztlich die Frage, welche Auswirkungen, Herausforderungen und Chancen die digitale Transformation in sozialenOrganisationen und für Dienstleistungen mit sich bringt. Die Digitalisierung stellt eine Querschnittsaufgabe inUnternehmen zu den allgemein bekannten Megatrends – wie z. B. der Individualisierung, New Work, Globalisierung, Mobilität, Konnektivität, Gender Shift – dar. Digitalisierung beinhaltet in diesem Zusammenhang eine Durchdringung der Gesellschaft mit digitalen Technologien, Produkten (z. B. VR, AR, 3D-Druck) und Prozessen (z. B. BigData, Robotics) sowie nimmt Einfluss auf die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Menschen (z.B. Social Networks, Crowdsourcing) (BMWi, 2015; Bowersox et al., 2005; Pousttchi, 2017). Unter Digitalisierung versteht man den seit Ausgang des 20. Jahrhunderts in allen Lebensbereichen bzw. der gesamten Gesellschaft zu beobachtenden Wandel, der durch die fortschreitende technische Revolution in der Informationstechnik ebenso bewirkt wird wie durch disruptive und innovative Geschäftsmodelle, die eine zunehmende Automatisierung, Flexibilität und Individualisierung ermöglichen. Digitalisierung in der Sozialwirtschaft birgt verschiedene Herausforderungen, sie

  • stellt einen durch digitale Technologie angetriebenen kontinuierlichen Prozess in der Gesellschaft, Wirtschaft, im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssektor dar;

  • beinhaltet einen Wandel von Strukturen, Prozessen, Strategien von Organisationen und der gesamten Wertschöpfungskette (Digitale Ökonomie);

  • bringt neue Herausforderungen durch smarte Vernetzung, Austausch und intelligente Analysen von Daten mit sich;

  • fordert insbesondere von Fach- und Führungskräften Digital Literacy und Leadership Skills.

Nach Kreidenweis (Kreidenweis, 2018, S. 9ff.) kann die Digitalisierung in der Sozialwirtschaft assoziiert werden mit Plattform-Ökonomie, digitalen Produkten und Dienstleistungen sowie dem Einsatz von neuen Technologien wie Robotik oderkünstliche Intelligenz: Auf digitalen Plattformen entwickeln sich in allen Branchen neue Geschäftsmodelle, um ein besseres Daten-, Interessens- und Kontraktmanagement zwischen Anbieter und Kunde zu ermöglichen (vgl. z. B. die weltweit, teilweise gewerblich operierenden Plattformen www.care.com und www.betreut.de). Digitale Produkte und Dienstleistungen liefern dank einer Integration von smarten Technologien einen Mehrwert gegenüber „klassischen“ Angeboten für Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen (z. B. Text-to-Speech, Translate-to-Speech oder Bedienbarkeit bei motorischen Einschränkungen). Diese neuen digitalen Angebote entfalten meist interessante Wirkung: es stärkt das Autonomievermögen, die Teilhabe und Selbständigkeit; Begriffe wie Behinderung bzw. Hilfsbedürftigkeit ändern sich in ihrer Bedeutung.

Schließlich ermöglichen neue Technologien wie Robotik und künstliche Intelligenz eine Erschließung von in der„analogen Welt“ meist aufwendiger umsetzbaren Anwendungen wie z. B. durch Einsatz von Robotern, Smartphones mit Bedienhilfen, intelligenteren Spracherkennungs- und Dialogsystemen, Servicerobotern im Sozialbetreuungs- und Pflegebereich. Beispielhaft sei nur auf die bereits in vielen Privathaushalten vorzufindenden Smart Speaker bzw. sprachgesteuerten, internetbasierten, intelligenten, persönlichen Assistenzsysteme hingewiesen, über die nicht nur Audio- und Videos gestreamt, die Haustechnik gesteuert, Artikel gekauft, Termine vereinbart, Listen geführt, Telefonate geführt, Betreuungs- und Assistenzbedarf angefordert, Informationen abgefragt und humanoideLaufroboter gesteuert werden können. Digitalisierung hilft dabei, die eigenen Zielgruppen besser zu erreichen, adressaten- und bedarfsgerechte Dienste zu konfigurieren und vorzuhalten sowie die eigene Einrichtung effektiver zu gestalten und zu steuern.

Existenzgründungen müssen von vornherein bedenken, wie der digitale und soziale Wandel in der neu gegründeten Organisation zusammen gedacht und digitale Teilhabe ermöglicht werden kann, denn die 

„[d]igitale Teilhabe wird elementare Voraussetzung gesellschaftlicher Teilhabe. Die digitale Transformation erfordert Anpassungsleistungen in allen Lebensbereichen; sie kann nur gelingen, wenn die Richtung der Entwicklungsdynamik als gestaltbar erlebt wird und unterschiedliche Geschwindigkeiten nicht zu uneinholbaren Vorsprüngen kleiner digitaler Eliten führen“ (BAGFW, 2017, S. 2).

Konkret sollten im Gründungsprozess die jeweils angestrebten Kommunikationswege, Angebotsformen undArbeitsweisen dahingehend überprüft werden, ob diese für die Herausforderungen einer durch Hybridität zwischen analoger als auch digitaler sozialer Welt gewappnet sind. Zu konkreten Geschäftsfeldern, die derzeit zunehmenddurch die digitale und soziale Transformation zugleich geprägt sind, zählen u. a.:

  • Service-Robotik und künstliche Intelligenz in der Altenpflege zur Unterstützung von Menschen mit eingeschränkten Möglichkeiten, z. B. digitale Dienstleistungsmodelle wie Ambient Assisted Living (AAL), die durch digitale Sprachtechnologien gestützt werden;

  • Fortbildung, Coachings und andere Unterstützungsangebote für pädagogische Fachkräfte zum Aufbau bzw.zur Entwicklung digitaler Kompetenzen, die über Medienkompetenzen und das

  • Lernen von und in neuen Medien hinausgeht;

  • Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von Konzepten zur virtuell aufsuchenden Jugendarbeit (auch: Cyberstreetwork oder virtuelle Jugendarbeit 2.0);

  • Betreuungs- und Beratungsplattformen für hilfesuchende Menschen;

  • Blockchain-Technologien im Rahmen des Datenaustauschs zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe bzw. bei der Organisation von wirtschaftlichen Hilfen.

Wie die bisherigen Ausführungen in Kapitel 3 gezeigt haben, müssen bei einer Existenzgründung verschiedene unternehmerische Rahmenbedingungen in der Sozialwirtschaft beachtet werden. Unternehmensgründungen sind in verschiedenen Formen möglich: als Outsourcing, gewerbliches Unternehmen, Freiberufler oder Social Entrepreneur. Schließlich stellen soziale Einrichtungen ebenso auch hybride Unternehmen dar, die sich mit einer Vielzahl von Stakeholdern, Finanzierungsquellen (Welfare-Mix) und bereichsspezifischen Logiken auseinandersetzen. Bei der Gründung von Sozialunternehmen muss unmittelbar auch bedacht werden, in welcher Form und in welchem Umfang bestimmte personenbezogene soziale Dienstleistungen ggf. auch durch Digitalisierung weiterentwickelt werden können.

3. Schritte des Start-Up-Managements

In diesem Abschnitt wird ein Überblick über die wichtigsten Schritte in die Selbständigkeit dargestellt (in Anlehnung an Kolhoff, 2002, S. 54ff.; BMWi, 2018, S. 12), die anhand konkreter Leitfragen ausführlicher beschrieben werden.

3.1 STEP 1: Persönliche Kompetenzen – Was ist meine Motivation? 

Im ersten Schritt gilt es, die persönlichen Voraussetzungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu prüfen, die für die Existenzgründung benötigt werden. Dabei müssen die eigenen Stärken und Schwächen ebenso betrachtet werden wie die emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Kompetenzen der Unternehmer*innen. Die Gründungsforschung hat gezeigt, dass bestimmte persönliche Dispositionen für eine Existenzgründung von nachhaltiger Bedeutung sind: z. B. Ambiguitätstoleranz, emotionale Stabilität, Leistungsbereitschaft, Risikobereitschaft, Offenheit für neue Erfahrungen. Vor allem aber sind die besondere Selbstkompetenzen gefragt, wie z. B. die Fähigkeit, die eigenen Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken einzuschätzen, abzuwägen und zu reflektieren.

3.2 STEP 2: Entwicklung einer Gründungsidee – Funktioniert die Geschäftsidee?

Für eine erfolgreiche Existenzgründung ist neben der Klärung der persönlichen Dispositionen im zweiten Schritt die Formulierung einer soliden Gründungsidee von entscheidender Bedeutung. In der einschlägigen Fachliteratur werden verschiedene Prinzipien und Wegevorgeschlagen, wie man neue und vor allem marktfähige Geschäftsmöglichkeiten entwickelt. Für eine möglichst frühzeitige Überprüfung und Bewertung der Erfolgschancen, ob sich die entwickelte Geschäftsidee auch realistisch umsetzen lässt und entsprechende Ressourcen zur Verfügung stehen, gibt es hilfreiche Prüfkriterien, die in Form von Fragen und Checklisten auf das eigene Vorhaben angewendet werden können. Im Prozess der Identifikation von Gründungsideen können schließlich verschiedene Kreativ- und Ideenfindungstechniken genutzt werden (z. B. Van Boeijen, Daalhuizen 2010).

3.3 STEP 3: Von Konzept zum Businessplan – Ist das Konzept umsetzbar?

Die entwickelte Gründungsidee muss schließlich im dritten Schritt in einen Businessplan bzw. Geschäftsplan transformiert werden. Dieser stellt eine schriftliche Ausformulierung des Konzepts der Unternehmensgründung dar und sollte alle notwendigen Seiten beleuchten, die für den Gründungsprozess bedeutsam sind. Denn nur eine betriebswirtschaftlich solide und marktfähige, d. h. an den Kundenanforderungen ausgerichtete Geschäftsidee wird sich im Wettbewerb bewähren.

3.4 STEP 4: Finanzierung – Woher bekomme ich notwendige finanzielle Mittel?

Ein wesentlicher Bestandteil des Businessplans ist neben der Beschreibung der Problemlösung, des Marktes und des zu gründenden Unternehmens insbesondere dessen Finanzteil, den es in einem gesonderten vierten Arbeitsschritt zu eruieren gilt. Neben einer Kosten- und Kapitalbedarfsplanung müssen auch die Umsätze, die Liquidität, die Rentabilität geplant werden. Der Businessplan ist die Voraussetzung für die Unternehmensgründung und dient u. a. dazu, die Höhe des Startkapitals zu ermitteln, Finanzierungsquellen ausfindig zu machen und z. B. Banken oder andere Fördermittelgeber von der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu überzeugen, um Möglichkeiten der Fremdfinanzierung (z. B. durch Kredite, Bürgschaften, öffentliche Fördermittel) nutzen zu können.

3.5 STEP 5: Start-up-Management – Wie gründe ich mein Unternehmen?

Im fünften und letzten Schritt kann schließlich mit der Unternehmensgründung selbst begonnen werden. Je nach Art und Umfang der Geschäftsidee sowie den zur Verfügung stehenden Ressourcen muss geklärt werden, welcher Weg der Gründung eingeschlagen werden soll, z. B. ob es sich (lediglich) um einen Nebenverdienst als Kleinunternehmer handelt, eine Einzel- bzw. Kollektivgründung oder ein bestimmtes Beteiligungs- bzw. Franchisemodell umgesetzt werden soll. Darüber hinaus muss eine geeignete Rechtsform gefunden und dabei Fragen hinsichtlich Haftungsrisiken, steuerlicher Belastung, Buchführungspflichten, Startkapital, notwendige Behördenanmeldungen, Genehmigungen und Registereintragungen geklärt werden. Abschließend wird ein Überblick zum Start-up-Management von Einrichtungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft gegeben, wobei hauptsächlich die operative und strategische Unternehmensführung beleuchtet wird.

4. Aufbau und Bestandteile des Businessplans

Haben sich die Gründer*innen über ihre Qualifikationen und Kompetenzen vergewissert bzw. sich notwendiges Wissen angeeignet sowie eine innovative Geschäftsidee entwickelt, kann im nächsten Schritt ein Businessplan entworfen werden. Damit beschäftigt sich dieses Kapitel.

Ein Businessplan bzw. Geschäftsplan stellt die schriftlich fixierte Ausformulierung und  Konkretisierung der entwickelten  Gründungsidee  dar, mithin  bildet er die Grundlage für die Planung und Umsetzung der Existenzgründung. Dieses standardisierte Dokument ist in verschiedene Bereiche untergliedert und enthält sowohl einen qualitativen alsauch quantitativen Teil (Nagl, 2018, S. 1-2). Während im qualitativen Teil die Geschäftsidee im Detail beschrieben und in Markt, Organisation und Unternehmensführung eingeordnet werden muss (u. a. Produkt-/Leistungsbeschreibung, Personal, Marktentwicklung, Management und Organisation und Chancen-Risiken-Analyse), beinhaltet der quantitative Teil die Finanz-, Erfolgs- und Liquiditätsplanung. Der Businessplan dienteinerseits der Selbstvergewisserung über die Vision, Strategien und Ziele des zu gründenden Unternehmens bzw. dessen Produkten bzw. Dienstleistungen. Andererseits wird er aber auch als ein Kommunikationsmittel gegenüber Gläubigern zur Finanzmittelakquise, Kundenwerbung etc. verwendet. Businesspläne unterstützenEntscheidungsprozesse, aber nicht nur im Rahmen von (Neu-)Gründungen, sondern sind ebenso hilfreich bei derPlanung von Strukturveränderungen, Merger & Akquisitions, Fusionen, Produktneueinführungen, Markterschließungen, Börsengang oder Kapitalerhöhung, Fremdkapitalfinanzierung und Investitionen.

In der Praxis haben sich bestimmte Bestandteile des Businessplans durchgesetzt, die im Folgenden in Anlehnung an die empfehlenswerte Praxisanleitung von Anna Nagl (2018, S. 2-73) sowie Alfred- Joachim Hermanni (2016, S. 33-37) im Detail vorgestellt werden:

  1.  Executive Summary

  2. Geschäftsmodell

  3. Zielmarkt

  4. Ziele und Strategien

  5. Leistungs- und Produktportfolio

  6. Marketing und Vertrieb

  7. Management, Organisation und Personal

  8. Chancen und Risiken

  9. Finanzplanung

Die Reihenfolge, Schwerpunktsetzungen und Bezeichnungen der einzelnen Teile können je nach Adressatengruppe, Kommunikationsziel und Umfang durchaus abweichen bzw. angepasst werden. In der folgenden Darstellung der jeweiligen Bestandteile des Businessplans werden nach einer kurze Erläuterung Orientierungs- und Leitfragen für die Ausformulierung des entsprechenden Teils gegeben sowie mögliche Fehlerquellen benannt (vgl. dazu im Folgenden Nagl, 2018, S. 2-73).

4.1 Executive Summary

Die Executive Summary stellt eine kurze, komprimierte und prägnante Zusammenfassung des Geschäftsplans dar, der im Regelfall nicht mehr als zwei Seiten umfassen sollte. Darin wird ein Überblick über die Unternehmensgründung gegeben und es muss ausgeführt werden, welche kurz- und langfristigen Ziele verfolgt, welche Marktchancen genutzt und wie das angebotene Produkt oder die Dienstleistung die Kundenanforderungen bestmöglich erfüllen. Dieser erste Abschnitt des Geschäftsplans ist mit größter Sorgfalt zu erstellen, da viele Investoren darauf basierend häufig ihre Entscheidungen treffen (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Was ist die Zielsetzung des Start-ups/Pro- jekts?

  • Mit welchem Nutzenversprechen tritt das Unternehmen an?

  • Mit welchen Produkten und Leistungen werden welche Märkte/Segmente bedient?

  • Wer sind die Zielkunden/Umsatzträger?

  • Wie soll der Marktzugang erreicht werden?

  • Wie ist die Wertschöpfungsarchitektur geplant?

  • Wie groß ist das derzeitige und zukünftige Marktpotenzial?

  • Welche Alleinstellungsmerkmale besitzt das Unternehmen und wo liegt der Kundennutzen?

  • Welche Ziele werden kurz-, mittel- und langfristig angestrebt?

  • Gibt es besondere Risiken?

  • Welche wichtigen Meilensteine der Unternehmensentwicklung sind bis jetzt erreicht wor- den?

  • Wie setzt sich das Management-Team zusammen?

  • Wie sieht die Umsatz- und Gewinnplanung für die nächsten drei bis fünf Jahre aus?

  • Wie hoch ist der Kapitalbedarf?

  • Wie hoch ist die Verzinsung des eingesetzten Kapitals (ROI = Return on Investment)?

  • Die Informationen im Executive Summary finden sich nicht im Hauptteil des Business-/ Geschäftsplans wieder.

  • Im Executive Summary sind keine Angaben über den Investitionsbedarf enthalten.

  • Das Executive Summary ist zu lang.

  • Das Executive Summary hat nicht den Charakter eines eigenständigen Dokuments.

  • Das Executive Summary wurde mittels Copy-and-paste aus den einzelnen Modulen zusammengefügt und ist kein in sich schlüssiges Dokument.

  • Im Executive Summary werden zu viele Zahlen genannt.

  • Das Executive Summary enthält nur Stichpunkte.

  • Das Executive Summary wird in der „Ich-Form“ geschrieben.

Tabelle 1: Checkliste Executive Summary (Nagl, 2018, S. 3-4)

4.2 Geschäftsmodell

In diesem ersten Teil des Businessplans wird dargestellt, welche Geschäftsidee der Gründung zugrunde liegt und wiediese umgesetzt werden kann. Als hilfreiche Orientierung können dabei verschiedene Ansätze der Geschäftsmodellentwicklung dienen: z. B. St. Galler Business Model Navigator (Gassmann et al., 2013), Business Model Canvas (Osterwalder et al., 2010) und Business Model Builder (Nagl & Bozem, 2018). Es sollte darauf geachtet werden, dass nicht nur die jeweilige Produkt- bzw. Dienstleistungsidee vorgestellt wird, sondern auch beschrieben wird, wie diese zur Erfüllung des Kundennutzens beiträgt und welcher Mehrwert gegenüber Wettbewerbern (Unique Selling Proposition) geboten wird. Im Einzelnen sollte man sich Gedankenmachen über folgende Aspekte: Geschäftsfeld, Vision, Strategie und Ziele, Wertschöpfungstiefe und Netzwerknutzung, Unique Selling Proposition (= Wettbewerbsvorteile bzw. Kernkompetenzen), Erfolgs- undErtragspotenzial (Nagl, 2018, S. 4-5). Die Geschäftsidee und das Geschäftsmodell werden nur dann überzeugen, wenn deutlich wird, dass gezielt der prognostizierte Bedarf der Kunden erfüllt wird, ein entsprechender Zielmarkt vorliegt und die Unternehmung insgesamt wirtschaftlich ist. Darüber hinaus können bereits hier die notwendigen Information zum Unternehmen gegeben werden (z. B. Firma, Rechtsform, Sitz, Standort, Gesellschafterverhältnisse undGründungsplanung) (vgl. Tabelle 2).

Tabelle 2

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Was ist das Neuartige und Nutzbringende?

  • Werden Megatrends, wie z. B. Digitalisierung, entsprechend berücksichtigt?

  • Wie sehen die Vision, die Ziele und die Strategie des Unternehmens aus

  • Welcher Bereich/welche Abteilung verantwortet das Projekt im Unternehmen?

  • Wie passt das Projekt in das bestehende Portfolio des Unternehmens

  • Welches Bedürfnis wird beim Kunden erfüllt?

  • Was ist die Kernkompetenz des Unternehmens?

  • Wie wird die Kernkompetenz geschützt?

  • Lässt sich mit dem Geschäftsmodell der geplante Erfolg erreichen?

  • Kann das Geschäftsmodell mit relativ wenig Aufwand an Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes angepasst werden?

  • Die Gefahr, sich bei der modellhaften Beschreibung in Details zu verlieren.

  • Die Alleinstellungsmerkmale sind nicht klar herausgearbeitet.

  • Das Projekt ist nicht klar und eindeutig den relevanten Abteilungen zugeordnet.

  • Die Beschreibung der Kernkompetenzen fehlt.

  • Eigene Ressourcen werden in Bereichen mit geringer Wertschöpfung und Zukunftsorientierung gebunden.

  • Es besteht eine Abhängigkeit von einzelnen Partnern.

Tabelle 2: Checkliste Geschäftsmodell (Nagl, 2018, S. 5-6)

4.3 Zielmarkt

Im Rahmen dieses Teils des Businessplans ist darzustellen, in welchem Markt bzw. Marktsegment das Produkt oder die Dienstleistung angeboten werden soll. Dabei ist zwischen Marktpotenzial und Marktvolumen zu unterscheiden. Während das Marktpotenzial die Höhe der maximal erzielbaren Absatzmenge bzw. das Umsatzvolumen einesProduktes oder einer Dienstleistung im Zielmarkt darstellt, wird unter dem Marktvolumen die Summe der tatsächlichrealisierbaren bzw. prognostizierten Absatzmengen bzw. Umsatzvolumen von allen im Zielmarkt im Wettbewerb stehenden Unternehmen verstanden. Daten über Marktpotenzial und Marktvolumen können über verschiedene Wege gewonnen werden:

„Erste generelle Informationen über den Markt und die Branchenentwicklung können meist schnell und kostengünstig über Fachverbände, volkswirtschaftliche Abteilungen der Kreditinstitute, statistische Landes- und Bundesämter, wirtschaftswissenschaftliche Institute (z. B. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung), Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und generell natürlich über Internetrecherchen gewonnen werden“ (Nagl, 2018, S. 7).

Weiterhin sind auch verschiedene Analysetools (z. B. Google Trends, Genios-Datenbank, Reports von Marktforschungsinstituten und Beratungsgesellschaften), die statistischen Landesämter und das Statistische Bundesamt sehr hilfreich, um Trendprognosen zu erstellen. Wenn keine Informationen recherchiert werden können,bleibt meist noch die Option zur Durchführung einer eigenen Studie, in der neben einer statistischen Erhebung die Bedürfnisse und Erwartungen sowie Preisvorstellungen der potenziellen Kunden erfragt und kategorisiert werdenmüssen.

Im Mittelpunkt der Beschreibung des Zielmarktes steht eine Beschreibung der Zielgruppen (Klein- oder Großkunden,Privat- oder Geschäftskunden), Prognose zur Marktentwicklung und Wettbewerbsanalyse. Zur Einschätzung der Marktentwicklung sollte die Marktattraktivität (u. a. Marktgröße, Marktqualität, Marktzusammensetzung, exogene Einflussfaktoren) analysiert werden. Im Rahmen einer Wettbewerbsanalyse steht die Untersuchung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit, des Umfeldes sowie der Leistungsfähigkeit von direkten, indirekten oder potenziellen Wettbewerbern im Vordergrund. Es sollten dabei „Daten über Größe, Umsatz, Absatz, Mitarbeiter, Marktanteil, Marketingkonzept und Machtverhältnisse der Wettbewerber eingeholt und analysiert werden, um dadurch „mehrüber die Stärken und Schwächen der Mitbewerber zu erfahren“ (Nagl, 2018, S. 8). Zur Wettbewerbsanalyse können verschiedene Ansätze, Methoden und Instrumente der Betriebswirtschaftslehre eingesetzt werden wie z. B. Benchmarking, Branchenstrukturanalyse nach Michael Porter (2013) und die Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken- bzw. SWOT-Analyse (vgl. für eine ausführliche Darstellung Nagl, 2018, S. 10-14). Diese dienen dazu, „ökonomische Komponenten (u. a. Geld-Kapitalmarkt, Konjunkturlage), technologische (u. a. Stand der Informationstechnologien), rechtlich-politische (u. a. Wirtschaftsordnung, Gewerbepolitik), soziokulturelle (Normen, Wertesysteme) und physische (Infrastruktur, klimatische Bedingungen)“ zu identifizieren (Hermanni, 2016, S. 35; vgl. Tabelle 3).

Tabelle 3

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Wie entwickelte sich die Branche in der Vergangenheit und wie sehen die Prognosen aus? Welche Markttrends zeichnen sich ab?

  • Welches mengenmäßige und wertmäßige Marktpotenzial und Marktvolumen wird für die einzelnen Marktsegmente prognostiziert?

  • Ist der adressierte Markt/die Nische groß genug?

  • Was sind die Erfolgsfaktoren der Branche?

  • Welche Rolle spielen Innovation, Digitalisierung und technischer Fortschritt?

  • Welche Unternehmen treten als Wettbewerber um die Gunst der Käufer im Markt auf?

  • Welche Ziele/Strategien verfolgen die Mitbewerber?

  • Über welches Know-how verfügen die Wettbewerber?

  • Wie hoch sind die finanziellen Ressourcen der Wettbewerber?

  • Was sind die Gründe für Erfolge und Misserfolge der Wettbewerber?

  • Wie werden die Wettbewerber gegebenenfalls auf den Markteintritt des Unternehmens reagieren?

  • Inwieweit ist das Unternehmen von einzelnen Lieferanten und Kunden abhängig?

  • Wie werden die aktuelle und zukünftige Rendite in den Marktsegmenten beurteilt?

  • Die Angaben zu Marktvolumen und -wachstum sind nicht nachvollziehbar.

  • Es fehlen Informationen über die Entwicklung der Branche und deren Einflussfaktoren.

  • Es fehlen Informationen über vergleichbare Produkte und zu erwartende Neuentwicklungen.

  • Die Reaktionen der Wettbewerber auf den Markteintritt werden nicht erkannt bzw. unterschätzt.

Tabelle 3: Checkliste Zielmarkt (Nagl, 2018, S. 14-15)

4.4 Ziele und Strategien 

Nachdem die Geschäftsidee bzw. das Geschäftsmodell und der Zielmarkt konkretisiert wurden, müssen im nächsten Schritt nun die die Unternehmensführung leitenden Geschäftsziele konkretisiert werden. Aus der im vorherigenBusinessplanabschnitt (Zielmarkt) durchgeführten SWOT-Analyse können – wie in Abbildung 3 dargestellt – anschließend die Ziele Grund-, Wettbewerbs- und Marktbearbeitungs- und Bereichsstrategien abgeleitet werden (Nagl, 2018, S. 15):

  • In der Grundstrategie wird festgelegt, auf welcher Grundlage zukünftige Entscheidungen über dieProduktentwicklung, Marktbearbeitung und Unternehmensführung getroffen werden sollen: z. B. Wachstums-, Konsolidierungs- oder Rückzugsstrategie.

  • Die Wettbewerbsstrategie fokussiert die strategische Positionierung des Unternehmens gegenüber den Wettbewerbern und wie sich die eigenen Angebote, Marktnutzung, Erfüllung der Kundennutzen von anderen Mitwettbewerbern abhebt. Grundsätzlich können nach Michael Porter (2013) drei wesentliche, voneinander abzugrenzende Wettbewerbsstrategien verfolgt werden: Branchenweit kommt die Qualitätsführerschaft (Differenzierungsstrategie) oder Kostenführerschaft (Preis-Mengen-Strategie) in Steht nur eineingeschränktes Marktsegment zur Verfügung, dann kann eine Nischenstrategie (Konzentration auf Schwerpunkte) verfolgt werden.

  • Im Rahmen der Marktfeld- bzw. Zielgruppenstrategie wird nach der Ansoff-Matrix (Ansoff, 1965) – in Abhängigkeit davon, ob ein Produkt neu eingeführt wird oder anders positioniert werden soll sowie welche Marktwachstumsmöglichkeiten bestehen – eine von vier Möglichkeiten gewählt: Marktdurchdringung (z. B. Produktverbesserung, Verwendung neuer Marketinginstrumente), Produkt(neu)entwicklung (Produktinnovation), Markt(weiter)entwicklung (Erschließung neuer Märkte und Kundengruppen), Diversifikation (Einstieg in neue Produkte und Märkte, Sortimenterweiterung, Risikostreuung).

Abbildung 3

Modell für die Strategiebildung (Nagl 2018, S. 15)

Tabelle 4

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Wurden messbare und erreichbare Ziele definiert?

  • Sind die Ziele und Strategien nachvollziehbar?

  • Sind die gewählten Strategien erfolgversprechend?

  • Lassen sich die Strategien in die Praxis umsetzen?

  • Bieten die gewählten Strategien eine Basis für das geplante Wachstum?

  • Die Ziele sind unrealistisch geplant.

  • Wachstumsperspektiven reichen für Investoren nicht aus.

  • Die geplante Strategie ist mit den finanziellen und personellen Ressourcen nicht umsetzbar.

  • Bei Start-up-Unternehmen und innovativen Projekten fehlt eine Markteintrittsstrategie.

Tabelle 4: Checkliste Ziele und Strategien (Nagl, 2018, S. 20)

4.5 Leistungs- und Produktportfolio 

Ausgehend vom Prinzip eines Portfolios, d. h. einer Sammlung verschiedener Objekte, muss in diesem Abschnitt des Businessplans herausgearbeitet werden, inwieweit sich die angebotenen Produkte bzw. Leistungen von denen am Markt bereits angebotenen unterscheiden (Unique Selling Proposition) und welcher Nutzen bzw. welche Wertschöpfung durch das gewählte Leistungs- und Produktportfolio generiert werden kann. Dabei sollten die Produkte und Dienstleistungen möglichst präzise beschrieben werden, z. B. „um welche Art von Produkten und Leistungen es sich handelt, welche Funktionen und Eigenschaften diese besitzen und was als neu an dieser Innovationzu betrachten ist“ (Nagl, 2018, S. 21). Für die Darstellung des Portfolios ist möglicherweise die 4-Felder-Matrix derBoston Consulting Group (BCG) nützlich, in der Produkte, Leistungen und Geschäftsfelder anhand der beiden Kriterien Marktwachstum und relativer Marktanteil dargestellt werden können (vgl. z. B. Bruhn, 2016). Darüber hinaus ist in diesem Abschnitt auch auszuführen, welche Serviceleistungen die Kunden in Anspruch nehmen können,ob bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt bzw. Genehmigungen eingeholt, Patente oder Schutzrechteangemeldet werden müssen und wie die Portfolioentwicklung und Qualitätssicherung umgesetzt werden soll.Letzteres kann am besten gezeigt werden in Form von Machbarkeitsstudien, Prototypen, Pilotkunden und Testmärkten (vgl. Nagl, 2018, S. 25-26; vgl. Tabelle 5).

Tabelle 5

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Worin besteht der innovative Charakter des Leistungs- und Produktportfolios?

  • Wie sieht der aktuelle Stand der Technik aus?

  • Welche Garantie- und Servicepolitik wird verfolgt?

  • Durch welche Merkmale erringt das Produkt oder die Dienstleistung eine Alleinstellung?

  • Sind Partnerschaften oder zusätzliche Dienstleistungen erforderlich, um das Produkt und die Dienstleistung voll zur Geltung zu bringen?

  • Welche gesetzlichen Vorschriften, Normen oder Standards sind zu erfüllen?

  • Wie ist die Patent- bzw. Schutzrechtsituation?

  • In welchem Entwicklungsstadium befinden sich die Produkte und Dienstleistungen?

  • Welche weiteren Entwicklungsschritte sind geplant und welche Möglichkeiten ergeben sich aus der Digitalisierung?

  • Welche Ressourcen sind für eine Weiterentwicklung vorhanden?

  • In welchen Bereichen liegen Entwicklungsrisiken und wie wird diesen Risiken begegnet?

  • Die Erläuterung und die Quantifizierung des Kundennutzens fehlen.

  • Es liegt keine erkennbare Überlegenheit der Produkte und Leistungen gegenüber dem Wettbewerb vor.

  • Mitbewerber sind schneller und erfolgreicher auf dem Gebiet der Digitalisierung „unterwegs“.

  • Die Ausführungen enthalten zu viele technische Ausdrücke.

Tabelle 5: Checkliste Leistungs- und Produktportfolio (Nagl, 2018, S. 26)

4.6 Marketing und Vertrieb

Die Planung der Marketing-, Vertriebs- und Kommunikationsaufgaben im Rahmen der Existenzgründung sowie für die zukünftige Unternehmensführung ist von existenzieller Bedeutung. Marketing ist als alle Bereiche der Unternehmung umfassende und integrative Aufgabe zu verstehen, in deren Ergebnis neue Kunden gewonnen und existierende Kunden zufriedengestellt werden können. Es gilt, dabei sowohl operative, das Tagesgeschäftumfassende als auch strategische, langfristig orientierte Ziele und Aufgaben zu unterscheiden (vgl. Tabelle 6).

Tabelle 6

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Welchen Absatz (Menge) und Umsatz (Wert) strebt das Unternehmen an (Prognose)?

  • Welche Preise sollen erzielt werden?

  • Nach welchen Kriterien werden die Preise gebildet?

  • Wie hoch soll die Gewinnspanne sein (Schätzung)?

  • Welche Zahlungsziele räumt das Unternehmen ein?

  • Welche Zielgruppen werden durch welche Vertriebskanäle am besten erreicht?

  • Wie wird die Aufmerksamkeit der Zielgruppenkunden auf die Produkte und Leistungen gelenkt?

  • Wie sieht die Online- und Offline-Werbeplanung und Kundenbindung aus?

  • Welche Absatz-/Verkaufsförderungsmaßnahmen werden genutzt?

  • Wie hoch sind die Kosten, um einen Kunden dauerhaft zu binden?

  • Welche Anforderungen (Anzahl, Qualifikation und Ausrüstung der Mitarbeiter) sind seitens des Vertriebs zu erfüllen, um die Marketingstrategie erfolgreich umzusetzen?

  • Welche Ausgaben sind dafür eingeplant?

  • Wie werden sich der Absatz und das Ergebnis auf die einzelnen Vertriebskanäle verteilen (Schätzung)?

  • Welcher Marktanteil je Vertriebskanal kann erreicht werden?

  • Welche Ausgaben werden bei der Einführung der Produkte und Dienstleistungen sowie im weiteren Verlauf voraussichtlich anfallen?

  • Die Marketingplanung und Marketingbudgets sind zu wenig detailliert.

  • Der Einsatz der Marketinginstrumente ist nicht genügend aufeinander abgestimmt.

  • Es fehlen vor allem IT- und Algorithmenbasierte Kundenbindungsmaßnahmen.

Tabelle 6: Checkliste Marketing und Vertrieb (Nagl, 2018, S. 42-43)

Im Marketing kann dabei der erweiterte Marketing-Mix (7 Ps) zur Anwendung kommen (vgl. im Folgenden Nagl, 2018, S. 27-28; Nagl, 2016):

  • Product (Produkt- und Leistungspolitik): Hierbei gilt es, festzulegen, welche Eigenschaften die Produktebzw. Dienstleistungen haben sollten (z. B. Produktname, Qualität, Ausstattung, Komplementärprodukte).Auf Basis von realistischen Kundenprofilen (wer kauft was, wann und warum, in welchem Umfang, nach welchen Kriterien und wo) kann der Versuch unternommen werden, den Gesamtmarkt in einzelne Teilsegmente zu zerlegen. Die Kundenprofile können entlang von soziodemographischen Kriterien wie z. B.Alter, Geschlecht, soziales Umfeld oder Haushaltseinkommen definiert werden. Außerdem sollte man sich Gedanken über die Servicepolitik machen (welche Serviceleistungen sind kostenlos/-pflichtig, in welcher Art und in welchem Umfang und in welchen rechtlichen Rahmenbedingungen werden diese erbracht).

  • Price (Preispolitik): Die Preisstrategie gibt vor, was für das Produkt bzw. für die Dienstleistung gezahlt werden muss und ob es z. B. Rabatte, Nachlässe, Ratenzahlungen oder andere Konditionen gibt. AlsMethoden zur Preisfestlegung können z. B. die Zahlungsbereitschaft der Kunden (Nachfrageorientierung), die Höhe der variablen und fixen Kosten (Kostenorientierung), der Preis anderer Wettbewerber oder desMarktführers (Wettbewerbsorientierung) oder das Nutzen-Mehrwertverhältnis (Value-based-Pricing) herangezogen werden.

  • Placement (Distributionspolitik): Dabei muss einerseits festgelegt werden, wie das Produkt bzw. die Dienstleistung an den Kunden gebracht werden kann wie z. B. über direkte Vertriebskanäle oder indirekt über Absatzmittler bzw. Meinungsführer. Außerdem können Kooperationen und Netzwerke mit anderenUnternehmen, Franchisinglösungen oder Onlinehandel genutzt werden. Andererseits ist auch die Standortwahl und -entwicklung von entscheidender Bedeutung.

  • Promotion (Kommunikationspolitik): Hierbei gilt es, festzulegen, welche Kommunikationsziele unter zielgerichteten Einsatzes von Kommunikationsmitteln (z. B. Werbung durch Print- und Onlinemedien,Verkaufsförderungen, Öffentlichkeitsarbeit/Public Relations für den Dialog mit den Kunden und Stakeholdern, Messen, Suchmaschinenoptimierung, Social Media, Influencer-Marketing, Markenpolitik) erreicht werden können, um den Kunden vom Nutzen des Produktes bzw. der Dienstleistung zu überzeugen.

Diese 4 Ps können schließlich erweitert werden um die folgenden 3 Aspekte:

  • People (Personalpolitik): Die Personalstrategie sollte u. a. beinhalten, wie die Kompetenzen der Mitarbeitenden weiterentwickelt (Personalentwicklung) und wie das Arbeitgebermarketing (inkl. der Mitarbeiterbindung) positiv beeinflusst werden können.

  • Processes (Prozesspolitik): Wenn nicht bereits in der Produkt- und Leistungspolitik erfasst, muss dargestellt werden, wie die Qualitätssicherung und Optimierung von Verfahren, Vorgängen und Abläufenstattfindet.

  • Physical Facilities (Ausstattungspolitik): In Weiterführung der Kommunikationspolitik ist im Businessplanauch darzustellen, wie das äußere und innere Erscheinungsbild des Unternehmens strategisch entwickelt werden soll (z. B. Ausschilderungen, Corporate Identity zur Vereinheitlichung von Unternehmensauftritt, Leitbild und Verhalten).

Die Standortwahl für das Gründungsunternehmen sollte in diesem Teil ebenso erläutert werden (vgl. Tabelle 7). Die Entscheidung über den idealen Standort des Unternehmens ist häufig nicht trivial. Es geht nicht nur darum, wie das immobileVermögen des Unternehmens langfristig gebunden werden kann. Einfluss auf die Standortwahl haben auch noch andere Faktoren, die es zu analysieren gilt: u. a. Marktlage, Anzahl der Betriebsstätten, Kundenbedürfnisse (Kundennähe, Kaufkraft, Lage und Umgebung, Konsumentengewohnheiten), Mitwettbewerber (Zahl, Größe, Marktanteil, Dynamik), Objektgröße und Mietpreisniveau, Steuersatz (Grund-/Gewerbesteuer), Subventionen, Genehmigungen (Gebietslizenzen), Zugang zu Beschaffungsmärkten (Nähe zu Lieferanten, Qualifikation/Kosten Personal, Logistik), Herkunfts- Goodwill(Standorte mit Tradition), Umweltschutz/-belastung, Infrastruktur (Verkehrsanbindung, Kommunikationstechnik), Wachstumsmöglichkeiten (vgl. Hermanni, 2016, S. 35). Für Sozialunternehmen sind nicht alle diese Faktoren gleichmäßig relevant, aber beispielsweise muss bei der Gründung eines Pflegeheims überlegt werden, ob ein Gebäude in der Innenstadt oder auf dem Land gesucht wird, bei einer Kita bzw. Beratungsstelle die Kunden in Wohnortnähe zu finden sind und ggf. ein günstigeres Grundstück in ähnlicher Lage verfügbar und bei ambulantenAngeboten die Erreichbarkeit, Parkmöglichkeiten und Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr gegeben ist.

Tabelle 7

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Welcher Bedarf besteht am jeweiligen Standort? (Kundenbedarfe, Informationen von Einwohnermeldeamt, statistische Ämter)

  • Wie sieht die kommunale, regionale, nationale Wettbewerbssituation aus? (Unternehmensumfeldanalyse, Preisgefüge, Marketingpolitik)

  • Über welche Kaufkraft verfügen Kunden*innen/Klienten*innen? (vgl. Statistisches Jahr- buch zu örtlicher Kaufkraft, GfK Nürnberg, Kaufkraftkarte der Nielsen-Marktforschung Frankfurt a. M., Analysetools BFS Service Köln)

  • Wie sieht die Grundstücks-/Raumsituation aus? (Genehmigungen, Baurecht, Betriebsstät- ten-VO, Info über Stadtverwaltung, Fläche, Zuschnitte, Zugänglichkeit der Räume, Mietkosten/Mietspiegel)

  • In welcher Lage befindet sich das Unternehmen? (Verkehrsanbindung, Parkplätze, Nähe anderer Branchen/Angebote, z. B. Innenstadt vs. im Grünen, Verfügbarkeit von Personal)

  • Die Standortwahl ist zu wenig detailliert dargestellt.

  • Es wurde keine Analyse der Standortfaktoren und damit zusammenhängender Rahmenbedingungen vorgenommen.

Tabelle 7: Checkliste Standort (eigene Darstellung)

4.7 Management, Organisation und Personal

Für eine erfolgreiche Unternehmensführung ist neben der Geschäftsidee insbesondere die Zusammensetzung des Gründungsteams und aller Mitarbeitenden von entscheidender Bedeutung. Um dies im Businessplan geeignet darzustellen, muss eine realistische und ehrliche Gegenüberstellung der vorhandenen und notwendigen bzw. nochzu entwickelnden Kompetenzen der Gründer*innen und des eingesetzten Personals erfolgen und ggf. personelle Engpässe durch gezielte Maßnahmen ausgeglichen werden können. Die Schlüsselpersonen der Unternehmung sindsowohl hinsichtlich ihrer fachlichen Kompetenzen, kaufmännischen Qualifikationen, Marktkenntnisse, Kommunikations-, Führungs- und Sozialkompetenzen, Motivation und Networkingskills vorzustellen. Außerdemsind neben der Aufbau- und Strukturorganisation (z. B. in Form eines Organigramms) und des Controllings- bzw. Berichtswesens auch Angaben zur Personalstruktur (z. B. Anzahl von Mitarbeitenden und Anstellungsverhältnisse) sowie Maßnahmen der Personalentwicklung und des Wissensmanagements zu beschreiben.

Um ein stabiles Unternehmen aufzubauen, braucht es auch verlässliche Partner bzw. kooperierende Unternehmen. So können z. B. folgende Kooperationsformen gewählt werden (Nagl, 2018, S. 45-46):

  • Kooperationen/Strategische Allianzen: rechtlich und wirtschaftlich selbständige Unternehmen übernehmen in der Zusammenarbeit unterschiedliche Aufgaben (z. B. Einkaufgemeinschaften);

  • Virtuelle Unternehmen: temporäre Zusammenarbeit im Rahmen eines Auftrags gegenüber einem Dritten (z. B. Anbietergemeinschaft bei Ausschreibungen);

  • JointVenture: mehrere Unternehmer halten an einem gemeinsamen Unternehmen Beteiligungen;

  • Konzentration: Zusammenschluss von Unternehmen, bei dem die einzelnen Unternehmen ihre wirtschaftliche Selbstständigkeit aufgeben, aber eigenständige Rechtsobjekte bleiben;

  • Fusion: Verschmelzung von mindestens zwei vormals rechtlich und wirtschaftlich selbständigen Unternehmen zu einer neuen Wirtschaftseinheit bzw. Rechtsobjekt.

Ob man die richtigen Partner gewählt hat, ergibt sich aus einer Analyse der „Wertschöpfungsarchitektur“ (Barbian, 2016), die zum Ziel hat, die in einer Branche bzw. in einem Unternehmen arbeitsteilig erbrachten,miteinander verbundenen Wertschöpfungsaktivitäten zu koppeln und zu koordinieren. Dabei muss untersucht werden:Wertbeitrag (Nutzen der Partnerschaft), Werttreiber (mehrwertbezogene Potenziale des Partners), Verlässlichkeit(Zuverlässigkeit, Qualität und Sicherheit der Partnerschaft) und Integration (Voraussetzungen des Partners) (vgl. Tabelle 8).

Tabelle 8

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Über welche komplementären Fähigkeiten verfügt das Führungsteam

  • Bestehen Lücken im Führungsteam?

  • Welche entscheidenden Positionen müssen noch besetzt werden?

  • Was sind die Schlüsselpositionen des Unternehmens?

  • Welche Qualifikationen und Erfahrungen besitzen die Mitarbeiter in Schlüsselpositionen?

  • Welches Entlohnungssystem wird angewendet?

  • Schlüsselpositionen, z. B. Finanzen, sind nicht ausgewogen besetzt. Es fehlen Vertretungsregelungen für Schlüsselpositionen. Es wird nicht ausreichend in die Personalentwicklung investiert.

 Tabelle 8: Checkliste Management und Personal (Nagl, 2018, S. 48-49)

Tabelle 9

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Wo liegen die Kernkompetenzen?

  • Welche Leistungen werden selbst erbracht, was wird zugekauft (Make-or-buy-Entscheidung)?

  • Welche Geschäftspartner werden in den Leistungserstellungsprozess einbezogen?

  • Können Kapazitäten kurzfristig angepasst werden?

  • Existieren Maßnahmen zur Qualitätssicherung?

  • Wie sieht die Organisationsstruktur des Unternehmens aus?

  • Wo liegen die Schwachpunkte der derzeitigen Organisationsstruktur?

  • Prozessrisiken werden nicht systematisch analysiert.

  • Eine systematische Bewertung der Kooperationspartner fehlt.

  • Keine Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortlichkeiten.

Tabelle 9: Checkliste Prozess- und Aufbauorganisation (Nagl, 2018, S. 49-50)

4.8 Chancen und Risiken

Dieser Teil des Businessplans unternimmt eine realistische Einschätzung von Erfolgspotenzialen (Chancen) undmöglichen negativen Entwicklungen und Ereignissen, die die Unternehmensentwicklung maßgeblich beeinflussen werden. Es geht dabei darum, mögliche Probleme darzustellen und, sollten diese einmal eintreten, entsprechendeLösungswege vorzuzeichnen. Es lassen sich im diesem Zusammenhang verschiedene Risikoarten identifizieren (Hermanni, 2016, S. 36; Nagl, 2018, S. 50): z. B. Umfeldrisiken (Gesetzesänderungen, Wegfall von Fördermitteln, bessere Entwicklungen bei Mitwettbewerbern, Personalmangel, Kundenrückgang), operative Risiken (fehlerhafte Einschätzungen, menschliches Versagen, Naturkatastrophen) und Finanzierungsrisiken (Forderungsausfälle,Liquiditätsengpässe, zu hohe Fremdfinanzierung). Um die Chancen und Risiken und deren Eintrittswahrscheinlichkeit geeignet darstellen zu können, hat sich in der Praxis die Szenariotechnik durchgesetzt. Dabei erfolgt eine Risikobewertung alternativer Geschäftsverläufe, die sich aufgrund verschiedener möglicherweise eintretender Ergebnisse und Begleitumständeergeben können: z. B. der günstigste (Best Case), ungünstigste (Worst Case) oder der am wahrscheinlichsten (Most Likely Case) eintretende Fall. Dies kann beispielsweise anhand der Verläufe der Umsätze, Kosten, Gewinne,Cashflow dargestellt werden und sollte mit geeigneten Maßnahmen auf wahrscheinliche Störereignisse untermauertwerden (vgl. Tabelle 10).

Tabelle 10

Leitfragen

Fehlerquellen

  • Welche außerordentlichen Chancen bieten sich?

  • Existieren grundsätzliche Risiken (Markt, Wettbewerb, Technologie)?

  • Sind die möglichen Unwägbarkeiten allen Führungskräften bekannt?

  • Sind deren Auswirkungen auf Kapitalbedarf, Cashflow und Rendite bekannt?

  • Wurde in Szenarien geplant?

  • Wie realistisch sind diese Szenarien?

  • Gibt es eine ausreichende Variation, d. h. Sensitivitätsanalyse, dieser Szenarien?

  • Die Chancen werden überbewertet.

  • Relevante Risiken in den Bereichen Markt, Wettbewerb und Technologie werden nicht berücksichtigt.

  • Es fehlt eine Quantifizierung der Risiken.

Tabelle 10: Checkliste Chancen und Risiken (Nagl, 2018, S. 52)

4.9 Finanzplanung

Der quantitative Teil des Businessplans beinhaltet schließlich die Finanzplanung. Aufgabe dieses Teils ist es, alle in den vorherigen Abschnitten dargestellten wirtschaftlichen Zusammenhänge in konkreten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, Tabellen und Planungsrechnungen darzustellen, damit Aussagen und Schlussfolgerungen über die zukünftige Entwicklung des zu gründenden Unternehmens sowie seiner Erfolgsaussichten möglich wird. Inhalt des Finanzteils sind insbesondere Kapitalausstattung und -bedarfsplanung (inkl. Gründungskosten), Betriebsmittelbedarf, Planbilanz und Plan-Gewinn- und Verlustrechnung (Umsatz- und Rentabilitätsvorschau) sowie die Liquiditäts- und Cashflowrechnung über einen Zeitraum von meist drei bis fünf Jahren. Wie in Abbildung 4 dargestellt, wird dabei von Einzelplänen für die Absatz- und Preis-, Produktions-, Beschaffungs-, Personal- und Investitionsplanung ausgegangen. Daraus werden dann drei miteinander zusammenhängende Rechnungen (doppelte Buchführung) – die geplante Gewinn- und Verlustrechnung, Planbilanz und Liquiditätsrechnung – abgeleitet. Schließlich wird in Form von Kennzahlen, d. h. aggregierten Verhältniszahlen, dargestellt, wie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung im Zeitverlauf geplant wird. Eine ausführliche Darstellung der dabei verwendeten Instrumente und betrieblichen Rechnungsformen wird ausführlich in Kapitel 5 dargestellt.

Abbildung 4

Komponenten der quantitativen Unternehmensplanung (Nagl, 2018, S. 53)

5. Finanzteil des Businessplans

Im quantitativen Teil des Businessplans müssen verschiedene betriebliche Rechnungen durchgeführt werden, die Aussagen darüber treffen lassen, ob die entwickelte Geschäftsidee wirtschaftlich tragfähig ist. Dazu zählen insbesondere die folgenden Instrumente, die im Folgenden näher vorgestellt werden sollen:

  • Finanzplanung: Kapital- und Finanzierungsplan (inkl. Investitionen)

  • Erfolgsplanung: Umsatz- und Rentabilitätsvorschau

  • Liquiditätsplanung: Cashflow-Entwicklung

  • Vermögens- und Schuldenübersicht: Planbilanz

5.1 Finanzplanung: Kapital- und Finanzierungsbedarf

Im Rahmen der Finanzplanung wird ermittelt, welcher Kapital- und Finanzierungsbedarf vorliegt, ins- besondere welche Gründungs- und Betriebskosten sowie Investitionskosten notwendig sind, um das Unternehmen starten zu können.

Im Kapitalbedarfsplan muss festgehalten werden, wie viel Startkapital benötigt wird, wie hoch die Grün- dungskosten sind und welcher Kapital- und Finanzbedarf insbesondere in der Anlaufphase benötigt wird. Dabei gilt es, die folgenden Informationen und Daten genau zu ermitteln (vgl. im Folgenden BMWi, 2018, S. 17; erläutert am Beispiel Kapitalbedarfsplan in Abbildung 5):

  • Gründungskosten: Hierbei muss ermittelt werden, welche Kosten für die Vorbereitung der Gründung notwendig sind: z. B. Beratungskosten, Notarkosten, Gebühren für Genehmigungen.

  • Betriebliche Aufwendungen für die Anlaufphase: Personalkosten, Beratungskosten, Miete, Leasing, Verwaltung, Werbung und Vertrieb, Steuern und Versicherung sowie eine kleine finanzielle Reserve für unvorhergesehene Ereignisse.

  • Persönliche Lebenshaltungskosten: Im Rahmen der Selbstständigkeit müssen die Gründer*innen auch auf die Absicherung ihres privaten Lebensunterhaltes achten. Hierfür sollten sowohl ein Gehalt und Beiträge für die Sozialversicherungen als auch andere private Ausgaben kalkuliert werden, wie z. B. Miete und Nebenkosten, private Versicherungen, Kosten für Unterhaltsverpflichtungen, Kindergarten und Freizeitaktivitäten.

  • Kapitalbedarf: Dieser setzt sich aus dem Anlage- und Umlaufvermögen zusammen. Zum Anlagevermögen zählen z. B. Lizenzen, Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Fahrzeuge und Büroeinrichtungen. Zum Umlaufvermögen werden die Beschaffung von Material- und Warenlager, Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen gerechnet.

  • Kapitaldienst für Fremdkapital: Im Rahmen der Gründung werden meist nicht nur eigene finanzielle Mittel eingesetzt, sondern es bedarf auch verschiedener Fremdkapitalien wie z. B. (Förder-)Darlehen, Bankkredite etc. Aus dem jeweiligen Kreditvertrag ergeben sich bestimmt Zins- und Tilgungszahlungen, die ebenfalls eingeplant werden müssen.

Abbildung 5

Kapitalbeschaffungsplan (BMWi, 2018, S. 38)

Im Kapitalbedarfsplan wurde kalkuliert, wie viel Kapital für die Gründung und die Anlaufphase benötigt wird. Dagegen wird im Finanzierungsplan festgehalten, wie die benötigte Summe finanziert werden kann (vgl. Abbildung 6). Die Gesamtsumme muss dem Kapitalbedarf entsprechen.

Abbildung 6

Finanzierungsplan (nach Vorlage des BMWi)

5.2 Erfolgsplanung: Umsatz- und Rentabilitätsvorschau

Eine Erfolgsplanung wird in Form einer Umsatz- und Rentabilitätsvorschau durchgeführt. Dieser liegt eine Gewinn- und Verlustrechnung nach dem Gesamtkosten- (§ 275 Abs. 2 HGB) oder Umlaufkostenverfahren (§ 275 Abs. 3 HGB) zugrunde. Die prognostizierten Umsatzerlöse ergeben sich aus den Erträgen aus Leistungsentgelten, Projektmitteln, Spenden, Mitgliedsbeiträgen. Die Erträge können mit branchenüblichen Daten z. B. der Wohlfahrtsverbände bzw. anderen Sozialunternehmen in der Region verglichen werden. Die Umsatzerwartungen sind im ersten Jahr aufgrund der Anlaufphase zunächst niedriger und müssen ab dem 2. Geschäftsjahr stetig gesteigert werden. Unter dem Wareneinsatz können betriebliche Erträge erfasst werden, die sich durch Veränderungen im Lagerbestand ergeben haben, wenn es z. B. zu einer Erhöhung des Bestands an fertigen oder unfertigen Erzeugnissen gekommen ist. Zu sonstigen betrieblichen Erträgen zählen z. B. Mieteinnahmen aus der Vermietung und Verpachtung von eigenen Räumen oder Gebäuden. Wenn die Umsätze geschätzt wurden, müssen im nächsten Schritt alle betriebsnotwendigen Aufwendungen kalkuliert werden. Dazu zählen z. B. Personal-, Sach-, Dienst- leistungs-, Instandhaltungs-, Werbungs-, Verwaltungs-, Vertriebs-, Miet- und Leasingkosten sowie zu leistende Versicherungsbeiträge und Steuern. Schließlich sind auch die Kosten für den Kapitaldienst (Zinsen) sowie Aufwendungen für Abschreibungen von Vermögensgegenständen zu planen.

Abschließend lässt sich für jedes Geschäftsjahr das Betriebsergebnis aus der Differenz der aufsummierten Umsatzerlöse und der aufsummierten Aufwendungen errechnen. Das Betriebsergebnis ermöglicht es, zu prüfen, ob sowohl die in der Kapitalbedarfsrechnung geplanten Kosten für die Lebensführung als auch die Gründungskosten, die Kosten für Anlaufphase und Kapitaldienst gedeckt sind (vgl. Abbildung 7).

Abbildung 7

Umsatz- und Rentabilitätsvorschau nach Gesamtkostenverfahren (BMWi, 2018, S. 36)

5.3 Liquiditätsplanung: Cashflowrechnung

Im Rahmen der Liquiditätsplanung wird ermittelt, ob und inwieweit das Unternehmen regelmäßig seinen laufenden Rechnungen nachkommen kann und wann entsprechende Einnahmen erwartet werden. Die Überwachung der Liquiditäts- und Cashflowentwicklung ist eine Pflichtaufgabe für jede*n Unternehmer*in und sollte im Regelfall eine Vorausschau für ein Geschäftsjahr erlauben. Eine fehlende Zahlungsfähigkeit ist ein gewichteter Grund für eine drohende Insolvenz des Unternehmens.

Im Gegensatz zur Erfolgsplanung mit Hilfe der Gewinn- und Verlustrechnung geht es bei der Liquiditätsplanung um die monatlich erwarteten Ein- und Auszahlungen. Die Summe aus dem Bestand an flüssigen Mitteln (= aktuell verfügbarer Bestand von Bank- und Kassenguthaben) und den Zahlungseingängen des Monats ergeben in Summe die verfügbaren Mittel. Danach müssen alle Auszahlungen erfasst werden, die sich aus den Aufwendungen – wie in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst – ergeben. Aus der Differenz der verfügbaren Mittel und der Summe der Auszahlungen, korrigiert um den Überschuss bzw. Fehlbetrag des Vormonats, ergibt sich als Ergebnis der Liquiditätssaldo: Ist dieser gleich null oder positiv, so kann allen laufenden Zahlungen regelmäßig nachgekommen werden. Ist dieser negativ, so muss eine Finanzierung für nicht verfügbare Mittel gesucht werden (z. B. Ausgleich von negativem Zahlungsmittelbestand auf dem Kontokorrentkonto, kurzfristiger Kredit oder Auflösung von Anlagen wie z. B. Tagesgeld). Mithin sollte für Zeitpunkte, in denen ein negativer Zahlungsmittelbe- stand zu erwarten ist, entsprechend mit einer „Reserve“ vorgesorgt werden (vgl. Abbildung 8).

Abbildung 8

Liquiditätsrechnung (BMWi, 2018, S. 68)

Ein Liquiditätsplan sollte immer dahingehend geprüft werden, ob alle tatsächlichen Ein- und Auszahlungen in der richtigen Höhe und zum richtigen Zeitpunkt erfasst wurden: Personalkosten, Kapitaldienst, Verbindlichkeiten für Lieferanten, Liquidation von Forderungen, Höhe des Kontokorrentkontos und finanzielle Reserven.

5.4 Vermögens- und Schuldenübersicht: Planbilanz

Eine Bilanz (lat. bilancia mit bi „doppelt“ und lanx „Schale“) ist eine detaillierte Übersicht über die wirtschaftliche Vermögens- und Schuldenlage des Unternehmens, gegliedert nach bestimmten Kriterien und dargestellt nach dem Prinzip der summarischen Ausgeglichenheit beider Seiten (vgl. Abbildung 9, vgl. IHK, 2019).

Nach § 242 Abs. 1 HGB ist jedes bilanzierungspflichtige Unternehmen dazu verpflichtet, zur Eröffnung und am Schluss eines jeden Geschäftsjahres sowie bei Geschäftsaufgabe oder Veräußerung des Geschäftsbetriebs eine Bilanz zu erstellen. Diese wird aus dem Inventarverzeichnis abgeleitet und nach dem folgenden Prinzip gebildet. Der Grundaufbau bzw. die Gliederung für die kaufmännische Bilanz ist grundsätzlich in § 266 II und III HGB festgelegt:

  • Auf der Aktivseite werden alle Vermögensgegenstände dargestellt, die nach ihrer Liquidität geordnet sind. Diese Seite der Bilanz stellt die Mittelverwendung dar.

  • Auf der Passivseite werden die Kapitalquellen (z. B. Eigen- und Fremdkapital), d. h. Schulden, geordnet nach Fälligkeiten, abgebildet. Diese Seite der Bilanz stellt die Mittelherkunft dar. Dort wird der Bilanzgewinn verbucht und das Fremdkapital detailliert dargestellt.

  • Die Bilanz ist so konstruiert, dass die Gesamtsumme der Bestände auf beiden Seiten immer übereinstimmen müssen, wie bei einer zweiseitigen (Balken-)Waage. D. h., die Summe der Aktiva-Positionen entspricht stets der Summe der Passiva-Positionen.

Abbildung 9

Planbilanz (IHK, 2005, S. 55)

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